Immobilienpreise in Wiesbaden


Überlaufbecken - Die besten Wohnlagen in Wiesbaden

Der Immobilienmarkt der hessischen Landeshauptstadt ist im Umbruch. Interessieren sich bislang fast ausschließlich Selbstnutzer für Häuser und Wohnungen, entdecken nun auch Anleger und Investoren die vergleichsweise günstigen Einstiegsmöglichkeiten.

 

Wiesbaden und Frankfurt, das war noch nie eine Herzensfreundschaft. Auf der ­einen Seite die Banken- und Messestadt, in der fast alles auf Effizienz und Professionalität ausgerichtet ist. Auf der anderen Seite die Landeshauptstadt mit dem Charme der alten nassauischen Fürstenresidenz sowie dem seit Jahr­hunderten beliebten „KuK-Betrieb“: ­Kuren und Kasinos. Der Gegensatz prägt auch den Immobilienmarkt. Während Wiesbaden im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde, zerbombten die Alliierten die Mainmetropole großflächig, die Altstadt brannte komplett nieder. Wer bei Immobilien also historisches Flair mit viel Stuck schätzt, findet in der alten Kurstadt die deutlich bessere Auswahl.

 

Daneben ist die hessische Landeshauptstadt auch für diejenigen interessant, die als Eigennutzer oder Anleger ihr ­Investment überschaubar halten wollen. Selbst in zentralen Stadtteilen sind Eigentumswohnungen für weniger als 2000 Euro pro Quadratmeter zu bekommen. Und bei den urbanen Annehmlichkeiten steht Wiesbaden kaum hinter Frankfurt zurück: Es bietet vielfältige Einkaufsmöglichkeiten ebenso wie den Bühnenbetrieb des Hessischen Staatstheaters.

 

„Die gewaltigen Preissprünge einiger Lagen in Frankfurt erreichen wir hier nicht“, sagt Karsten Hinrichsen, Abteilungsleiter Immobilien-Vermittlung bei der Wiesbadener Volksbank. Aber nach einigen Jahren des schleppenden Geschäfts stellen er und seine Kollegen auch in der 278.000-Einwohner-Stadt deutliche Preiszuwächse fest. Besonders positiv entwickeln sich zentrale Lagen wie das Komponistenviertel oder die City-Ost.

 

Der Aufwärtstrend in Wiesbaden wird von der Entwicklung in der großen Nachbarstadt Frankfurt und der gesamten Rhein-Main-Region befeuert. Die Brutto­wertschöpfung je Einwohner im Rhein-Main-Gebiet erreicht etwa 124 Prozent des Bundesdurchschnitts. Allein 2011 entstanden rund 50.000 neue Arbeitsplätze. Das führte in Frankfurt zu deut­lichen Preissteigerungen auf dem Kauf- und Mietmarkt.

 

Wegen des deutlich geringeren Kostenniveaus bietet Wiesbaden eine attraktive Ausweichmöglichkeit zu Frankfurt. „Gerade Anleger kommen mit Macht wieder. In den Jahren zuvor war es vor allem ein Markt der Selbstnutzer“, beschreibt Hinrichsen. Wiesbaden stehe hier erst am Anfang dieser Entwicklung.

 

Peter Krömer, Büroleiter von Engel & Völkers in Wiesbaden, bestätigt den Trend: weniger Immobilien auf dem Markt, eine höhere Nachfrage und leicht steigende Preise. „Die Objekte sind nicht überteuert“, sagt er. Selbst in den tradi­tionsreichen Villenzeilen im Nerotal ­finden sich mit etwas Glück geräumige Bauten für weniger als 1 Mio. Euro. Der Wertzuwachs wird in den kommenden Monaten in den meisten Wohnquar­tieren die Fünf-Prozent-Marke wohl nicht übersteigen. Aber wo Altbauten modernisiert oder wenig attrak­tive ­Gebäude komplett ersetzt werden, sind im Einzelfall höhere Zuwächse erzielbar. Im Dichterviertel und in Biebrich geschieht in dieser Hinsicht derzeit besonders viel.

 

Auch Krömer erwartet eine positive Wertentwicklung: „Ich denke nicht, dass die Spitze erreicht ist. Wir werden wei­tere Zuwächse sehen; in der Höhe sicher abhängig von der jeweiligen Lage.“ Der Markt in Wiesbaden zeichnet sich seiner Ansicht nach besonders durch Stabilität und Wertsicherheit aus. Das höchste Potenzial sieht der Experte bei Einfamilienhäusern. Gerade in attraktiven Zentrumslagen sind sie knapp, was bei steigender Nachfrage höhere Preise nach sich ziehen wird.

 

Jahrelanges wenig beachtet in Wiesbaden waren Eigentumswohnungen. Wer bisher dachte „Da geht noch was!“, hat recht behalten. Hier ist ebenfalls die positive Entwicklung der Rhein-Main-Region die ­Ursache. „Bei Eigentumswohnungen finden jetzt auch mittlere Lagen Käufer“, berichtet Volksbank-Experte Hinrichsen. Noch dazu weil sich viele Objekte im Wiesbadener Zentrum oft in gut erhaltenen Mehrfamilien-Stadthäusern aus dem 19. Jahrhundert finden. Wo der Altbaubestand gut gepflegt wird, ist weiterhin ein stabiler Wertzuwachs zu erwarten.

 

Der beruht in Wiesbaden nicht allein auf der Marktentwicklung, sondern vor allem auf der Aufwertung von Altimmobilien. „Die Leute investieren wieder mehr in ihre Häuser, nicht zuletzt zur Energieeinsparung“, beobachtet Harald Stender von Planethome. Das fängt bei neuer Wärmedämmung für Einfamilienhäuser im aufstrebenden Quartier Sonnenberg an, erstreckt sich über Neubauten auf alten Bestandsflächen in der City-Ost und reicht bis nach Biebrich, wo vor vielen Villen am Rheinufer derzeit Handwerkerfahrzeuge stehen.

 

Andere Entwicklungen betreffen den Wiesbadener Wohnungsmarkt nur am Rande. Hierzu gehört die derzeit laufende Verlegung des Hauptquartiers der US-Truppen von Heidelberg in die Stadt. „Wir haben gelegentlich mal Mietanfragen, aber das hält sich in Grenzen. Schließlich bauen die Amerikaner selbst große Wohneinheiten für ihre Soldaten“, erklärt Hinrichsen. Grundsätzlich seien die Army-Angehörigen sehr gute Mieter, weil sie ein höheres Preisniveau akzeptierten und die US-Militärverwaltung ein verlässlicher Zahler ist.

 

Ein weiteres großes Streitthema des Rhein-Main-Gebiets wird in Wiesbaden eher auf kleiner Flamme gekocht: der Ausbau des Frankfurter Flughafens und der Betrieb der vierten Start-und-Lande-Bahn, die im Oktober 2011 eröffnet wurde. Während Anwohner und Maklerkollegen im benachbarten Mainz über größeren Lärm durch die neuen Einflugschneisen klagen, stellen Wiesbadener Immobilienfachleute bislang höchstens marginal negative Auswirkungen fest.

capital.de, 10.05.2012