Für die meisten Häuser gelten die neuen Auflagen noch nicht. Es sei denn, die Immobilie wechselt den Besitzer.
Die neue Energieeinsparverordnung, auch bekannt als EnEV 2009, sorgt seit ihrem Inkrafttreten zum Oktober 2009 bei vielen Hausbesitzern für Verwirrung: „Im letzten Jahr ging die Angst um, jetzt dämmen zu müssen“, erinnert sich Energieexperte Christian Stolte von der Deutschen Energie-Agentur (dena), die im Auftrag der Bundesregierung Projekte im Bereich Energieeffizienz durchführt.
Auch die Energieberater vor Ort bekamen das zu spüren: „Ich habe Einfamilienhausbesitzer, die angefragt haben, ob sie ihre Nachtspeicherheizung jetzt nachrüsten müssen“, sagt Claudia von Valtier, Bauingenieurin und Energieberaterin der Verbraucherzentrale aus Itzehoe. „Einige hatten sogar schon Angebote über 20 000 Euro für eine neue Heizungsanlage eingeholt. Dabei besteht für sie gar keine Verpflichtung.“
Nicht für kleine Häuser
Denn Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern sind von Nachrüstpflichten generell ausgenommen. Laut Verordnung sollen beispielsweise Nachtstromspeicherheizungen, die älter als 30 Jahre sind, außer Betrieb genommen werden. Die Pflicht zur Umrüstung beginnt stufenweise, aber erst ab 2020. Häuser mit bis zu fünf Wohneinheiten sind nicht betroffen.
Weitere Auflagen wie die Dämmung von Dachgeschossdecken und Warmwasserleitungen in unbeheizten Räumen gelten zurzeit ebenfalls vor allem für Mehrfamilienhäuser. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts von 2007 sind von den fast 18 Millionen Wohngebäuden in Deutschland etwa 15 Millionen Ein- oder Zweifamilienhäuser. Fast 90 Prozent des gesamten Wohnungsbestands sind sogenannte Altbauten, also Gebäude, die vor 1995 errichtet wurden. Deren Besitzer müssen nach der EnEV nichts tun, sofern sie vor dem 1. Februar 2002 in dem Haus gewohnt haben. Die Vorschriften greifen aber, wenn es verkauft wird. Der neue Besitzer hat zwei Jahre Zeit, sein Haus EnEV-tauglich zu machen.
„Niemand wird durch die EnEV gezwungen zu sanieren“, tritt Stolte einem häufigen Missverständnis entgegen. „Es geht darum, völliger Energieverschwendung einen Riegel vorzuschieben.“ So dürfen Heizkessel, die vor Oktober 1978 installiert wurden, nicht mehr betrieben werden. Zugängliche Warmwasserleitungen in unbeheizten Räumen, beispielsweise im Keller, müssen gedämmt werden, weil hier viel Wärme entweicht.
Weiter sieht die Verordnung Nachrüstungen bei der Dämmung von obersten Geschossdecken vor, sofern das Dach noch nicht gedämmt ist. Auch begehbare Dachböden müssen dann einen Mindeststandard bei der Dämmung erfüllen. Die Frist läuft bis zum 31. Dezember 2011.
Fast immer gibt es Ausnahmen. Denn bis auf den Austausch von Heizkesseln gilt für alle Maßnahmen ein Wirtschaftlichkeitsgebot. Wenn „die erforderlichen Aufwendungen durch die eintretenden Einsparungen nicht innerhalb angemessener Frist erwirtschaftet werden können“, so die Verordnung, kann der Eigentümer eine Befreiung bei der unteren Bauaufsicht beantragen.
Bagatellgrenze bei Modernisierung
Auch die Standards für die Modernisierungen an der Gebäudehülle von Altbauten wurden mit der neuen EnEV geändert. So wurden die Anforderungen an die Dämmung im Durchschnitt um 30 Prozent verschärft. „Für Einzelbauteile gibt es genaue Angaben, welche Dämmwerte eingehalten werden müssen. Alternativ kann der Bauherr aber auch auf das 1,4-fache Neubauniveau sanieren“, sagt Bauingenieurin von Valtier. Der gesamte Energiebedarf des Hauses darf dann bis zu 40 Prozent über dem eines Neubaus liegen.
Bauteile sind zum Beispiel die Fassade, die Fenster oder das Dach. Damit nicht bei jeder kleineren Reparatur sofort die EnEV angewendet werden muss, hat der Gesetzgeber eine sogenannte Bagatellgrenze eingeführt. Wer weniger als 10 Prozent der Gesamtfläche eines Bauteils verändert, muss die EnEV demnach noch nicht erfüllen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Fenster ausgetauscht wird, das weniger als 10 Prozent der gesamten Fensterfläche an dem Haus einnimmt.
Da hilft nur nachrechnen, meint Wolfgang Szubin, Vorstandsmitglied des Verbands Wohneigentum und Sachverständiger für Wärme- und Schallschutz. Auch gebe es viele Ausnahmen. „Wer einen Fassadenanstrich plant, muss die EnEV nicht beachten, wer dagegen Putz abschlägt, aber wohl“, meint Szubin. „Für Eigentümer sind die Anforderungen der EnEV für Bestandsgebäude oft schwer nachzuvollziehen.“
Die Fachbetriebe müssen den Eigentümern nach jeder Bau- oder Sanierungsmaßnahme in einer sogenannten Unternehmerbescheinigung nachweisen, dass sie die Vorgaben der EnEV eingehalten haben. „Fragen Sie den Handwerker vorab, ob er eine solche Bescheinigung ausstellen kann“, rät Szubin. Auch im Fall einer freiwilligen Maßnahme sollten Eigentümer die Bescheinigung einfordern.
Ob die Bauordnungsämter in den Ländern die Auflagen bei Altbauten streng kontrollieren, ist offen. „Die Behörden sind hier fachlich überfordert“, sagt Szubin. „Ich kenne aus meiner Praxis bisher keinen Fall.“
Eine Ausnahme sind die Vorgaben für Heizkessel und Dämmung von Warmwasserleitungen in unbeheizten Räumen. Hier sieht die EnEV eine Kontrolle durch die Bezirksschornsteinfegermeister vor.
Keine Verschärfung, sogar Lockerung
Experten sehen in der EnEV-Novelle keine Verschärfung der Modernisierungsstandards. Im Gegenteil: „Im Einzelfall kann sie sogar zu einer Lockerung führen“, sagt Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft zeitgemäßes Bauen in Schleswig-Holstein. „Nach der früheren EnEV 2007 musste der Hausbesitzer zwar erst ab 20 Prozent der Bauteilfläche nach EnEV-Standard sanieren. Der Anteil bezog sich aber auf den jeweiligen Bauteil, zum Beispiel die Westseite eines Hauses.“
Dagegen gelte jetzt die gesamte Bauteilfläche als Bezugsrahmen. „Wenn Sie ein Haus mit sechzehn Fenstern haben, vier auf jeder Seite und Sie tauschen eines davon aus, sind das 25 Prozent der Fensterfläche einer Hauswand, aber nur ein Sechzehntel der gesamten Fensterfläche“, rechnet Walberg vor. Nach der neuen EnEV muss dann nicht saniert werden.
Wird die Grenze überschritten, weil zum Beispiel mehrere Fenster auf der Westseite ausgetauscht werden, dann gelten die EnEV-Standards auch nur für die betroffene Westseite, meint Walberg: „Sanieren müssen Sie immer nur an der Seite des Hauses, an der Sie etwas ändern.“
Hausbesitzer, die mehr tun als vorgeschrieben, sparen aber nicht nur Energie, sondern auch Geld. Zum Beispiel gab es 2008 in Deutschland noch knapp 580 000 Öl- und Gasheizungen aus dem Jahr 1978 oder älter, die Mehrzahl steht in Ein- und Zweifamilienhäusern. Mit einem neuen Brennwertkessel ließen sich die jährlichen Heizkosten aber deutlich reduzieren, so Bezirksschornsteinfegermeister Stefan Eisele aus Stuttgart, und zwar „um bis zu 30 Prozent pro Jahr“. Da lohnt es sich durchaus, dem Gesetz zuvorzukommen.
Quelle Stiftung Warentest